Ohne Kompromiss geht gar nichts!

Besuch im Haus der Religionen

Europaplatz Bern – ein verkehrsreicher Platz – Autobahn, S-Bahnstation, Trams und moderne Gebäude. Eine ansprechend gestaltete Glasfront sticht ins Auge, darauf, etwas seitlich eine kleine Kuppel aus einer andern Welt. Dies sagt schon viel aus über das Haus der Religionen – bei den heutigen Menschen, eine moderne Idee, die aber Traditionen verbinden und in die Zukunft führen möchte.

Die Gruppe der Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen wurde in der Eingangshalle des Hauses der Religionen nicht nur freundlich von zwei Mitarbeiterinnen empfangen, sondern auch von einem Potpourri exotischer Düfte, die schon die Freude auf das Mittagessen weckten. So verschiedene Religionsgemeinschaften wie Hindus, Islam, Buddhisten, Alawiten und Christentum haben sich in diesem Gebäude zusammengefunden, auch die Israelitische Gemeinde, die Shiks und Bahais sind mitengagiert.

Unser Rundgang begann im „christlichen“ Raum, einem Raum in dem Gottesdienste abgehalten werden. Christen – ja, welche Christen? Christen sind ja nicht gleich Christen! Dass diese Frage sich nicht nur bei den Christen stellt, zeigte der weitere Rundgang – wer wusste schon, dass „Hindus“ ein von Europäern erfundener Sammelbegriff für viele unterschiedliche Gruppierungen ist.  Aber zurück zum Raum der Christen. Unterschiedlicher könnten die beiden Gruppen, die den Raum gestaltet haben und zu regelmässigen Feiern nutzen, nicht sein. Es sind dies die äthiopische orientalisch-orthodoxe Kirche, deren Ursprünge ins 4. Jahrhundert zurückgehen und die Herrnhuter Gemeine (das ist so korrekt geschrieben J).

Für die einen ist die sehr farbenfrohe Ikonostase mit dem männlichen dreieinigen Gott sehr wichtig, für die andern ein absolut schmuck- und bilderloser Raum, ausser dem berühmten Weihnachtsstern. Die einen feiern in dunklen, von der Alltagswelt abgeschlossenen Räumen, die andern in lichten, meist völlig weiss gestrichenen, die der Welt zugewandt sind. Eine Lösung findet sich nur mit praktischen und ideellen Kompromissen. Ein praktischer Kompromiss sind die Lamellen vor den Fenstern, die ermöglichen, dass sich die Fenster gegen aussen öffnen und die Welt – der Bahngeleise – in den Raum hereinlassen, oder aber den Raum gegen aussen völlig abschliessen.

Pünktlich trafen wir dann in der Moschee ein, wo uns der Imam vor einem weiteren Termin, den er hatte, persönlich empfing. Die Moschee ist direkt vom Platz her erreichbar und so ein selbständiger Kultort, aber doch eingebunden in das Ganze. Als Besucherinnen durften auch wir Frauen in der Gruppe den Eingang für Männer benutzen, mussten nicht auf die Estrade, wo sich die Frauen während der Kulthandlungen finden, die Schuhe mussten aber schon ausgezogen werden. Der hochgebildete, aus Albanien stammende, Iman gab uns eine kurze und doch recht umfassende Einführung in den Raum und das Leben der Moschee. An einzelnen Festtagen sollen sich bis zu 400 Gläubige hier einfinden.

Schuhe an, zwei Türen weiter über den Platz, Schuhe aus und wir fanden uns in einer andern Welt wieder, dem Tempel der Hindus. Mehr noch als in der Moschee und der orientalischen Kirche spürten wir hier, da finden Menschen von weit weg ein bisschen Heimat. Der grosse Altar in der Mitte mit seinen vielen farbigen Figuren ist überwältigend.

Aber immer wieder kommen auch Gemeinsamkeiten hervor, wie in alten katholischen Kirchen, hat es rund um den grossen Hauptaltar viele kleine Altäre für weitere – in diesem Fall nicht Heilige – sondern Gottheiten. Eigentlich sollte der Altar direkt auf dem Erdboden stehen, ein schwieriges Unterfangen am Berner Europaplatz. Auch hier wurde ein Kompromiss gefunden mit einem Rohr, das vom Altar bis ins weit unten liegende Erdreich geht. Auch diese Kultstätte lebt. Frauen waren offenbar daran, in der zum Tempel gehörenden Küche Vorbereitungen zu treffen für ein Ritual, einen Anlass?

Am Ende der Eingangshalle geht es zu den Räumen der Buddhisten. Aber was heisst denn Buddhisten, sind das nun die thailändischen, die tibetanischen Buddhisten oder die Zen-Buddhisten?

Auch hier treffen unterschiedliche Meinungen und Konzepte aufeinander. Der Raum wurde von den Zen-Buddhisten gestaltet, die beiden Buddha-Figuren von Thailand gestiftet, es sind aber nicht typisch thailändische Buddhas – wieder ein Kompromiss, der dem Zusammenleben dient. Auch hier ist uns ein Vertreter der Gemeinschaft Red und Antwort gestanden. Hier gibt es sogar eine Zelle, in der ein buddhistischer Mönch für eine gewisse Zeit leben kann. Dieses Wohnrecht ist offiziell bewilligt – eine weitere Hürde die im sonst schon schwierigen Entstehungsprozess des Hauses der Religionen gemeistert werden musste.

Für einen Besuch des Raumes der Alawiten reichte die Zeit leider nicht mehr. Der Raum ist eindrücklich schlicht, wir Reformierten hätten uns zuhause gefühlt.

Das Haus der Religionen lebte und vibrierte an diesem Donnerstag – nicht wegen der Gruppe der Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen – in dieser Woche fand eine Themenwoche einer Berner Schule hier statt und die Vorbereitung einer abschliessenden Theatervorstellung lief auf Hochtouren.

Wir durften in Ruhe ein feines koscheres ayurvedisches Mittagessen geniessen, gekocht von einem Koch der zugleich Priester der Hindugemeinde ist und über das nötige Zertifikat des Rabbinats verfügt, dass seine Küche allen Regeln der Koschergebote genügt.